Donnerstag, 26. Dezember 2013

DER "LIMES": ERKLÄRUNG DES BEGRIFFES NACH EGON SCHALLMAYER

a) allgemein:
Der Begriff "LIMES" hat nach E. SCHALLMAYER zunächst etwas mit der "Erschließung eines Raumes und der Einteilung eines Geländes" zu tun. Das Wort setzt sich zusammen aus "limus"=quer und dem Verbalnomen "-it"=gehend (von "ire"). Ein "LIMES" ist ganz allgemein ein "Weg, eine Bahn, die etwas durchquert" (wie z.B. eine Feldflur, einen Wald etc.)
b) in der Landvermessung:
Bei FRONTINUS und HYGINUS (beides Landvermesser) kommt das Wort schon in spezieller Bedeutung als Grenzweg (Flurgrenze) zwischen Grundstücken vor.
c) militärisch:
1) als VORMARSCHWEG
In diesem Sinne ist der "LIMES" eine Bahn (Schneise), die ins Feindesland vorangetrieben wird, um das Gebiet militärisch zu erschließen und um den Truppen die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten und frei zu agieren. E. SCHALLMAYER spricht von "militärbewehrten Straßen". Diese reichen weit ins Feindesland hinein. (Dies dürfte allerdings den Feinden wenig gefallen haben. Dennoch muß die Anlage eines solchen Piste großen Eindruck gemacht haben.)
Im rechtsrheinischen Gebiet z.B. führten diese Wege entlang der Flüsse (Lippe, Lahn, Main). Und bei der Eroberung Britanniens durch CLAUDIUS bzw. durch seinen General AULUS PLAUTIUS war der sog. FOSSEWAY von großer Bedeutung. Dieser vereinigte nun beide Funktionen: Vormarschstraße und Grenze (sog. "Plautianische Limeslinie"). Sie fungierte als Basis für die Eroberung von Wales und des Gebietes der BRIGANTEN (Nordengland).
"LIMITES" spielten eine große Rolle bei der Eroberung der Provinzen. Ohne sie wäre eine Okkupation kaum möglich gewesen. So ließ z.B. TRAIAN (101-106 n.) während der Eroberung Dakiens die vom Legionslager VIMINACIUM nach Nordosten führende Straße für den militärischen Vormarsch ausbauen.
Über den "LIMES" in Germanien gibt eine Stelle bei SEXTUS JULIUS FRONTINUS, "STRATEGEMATA" ("Kriegslisten") Auskunft. FRONTINUS war Kriegsteilnehmer im CHATTENKRIEG. Für das Jahr 83 n. Chr. lesen wir:
"Als die Germanen nach ihrer Gewohnheit aus Waldschluchten und dunklen Verstecken heraus die Römer immer wieder überfielen und dabei einen sicheren Rückzug in die Tiefen des Waldes hatten, ließ Kaiser DOMITIAN mehrere breite Schneisen (limites) 120 Meilen (177, 6 km) in den Wald vortreiben. Er bewirkte dadurch nicht nur eine Veränderung in der Art der Kriegsführung, sondern auch, daß die Feinde, deren Schlupfwinkel er bloßgelegt hatte, sich ihm unterwarfen."
"LIMES" bedeutet hier also "Schneise", die in den Wald geschlagen wird. Die Römer versuchten dadurch für sie bessere Kampfbedingungen zu schaffen und der "Wald-und-Wiesen-Taktik" der CHATTEN zu begegnen, was dann auch, wie man sieht, zum Erfolg führte. Nach SCHALLMAYER beschreibt FRONTIN hier lediglich "eine strategische Maßnahme". Die "LIMITES" sind also Teil der militärischen Angriffsmethoden ("militärische Rollbahn", so E. S.) und noch nicht Provinz-oder Reichsgrenze (defensiv), in welcher Funktion wir den "LIMES" kennen.
2) als PROVINZ-UND REICHSGRENZE:
Der "LIMES" in der Funktion der REICHSGRENZE ist eine sekundäre, spätere Entwicklung (ab AUGUSTUS). Offizielle Bezeichnung: "LIMITES IMPERII ET RIPAE"="Land-und Flußgrenzen", s. auch TACITUS, "AGRICOLA" (98 n. Chr.) und "GERMANIA". In dieser Schrift lesen wir über die Erschließung der "AGRI DECUMATES"="ZEHNTLAND":
"Bald darauf wurden die Grenzschneise (limes) angelegt und die Wachen (praesidia) vorgeschoben; seither gilt das Gebiet als Vorland des Reiches und Teil der Provinz".
Die Anlage einer Grenzschneise hatte also das Ziel, ein Gebiet dem Imperium anzugliedern (einzuverleiben).
In ganz ähnlicher Bedeutung erscheint der Begriff bei AMMIANUS MARCELLINUS (4. Jh.). Hier bezeichnet "LIMES" die Grenzmark bzw. das Grenzgebiet. Die "NOTITIA DIGNITATUM" (ein Militärhandbuch) schließlich nennt militärische Verwaltungsbezirke an der Grenze "LIMITES". Diese werden von "MILITES LIMITANEI ET RIPARENSES" ("Limitan-und Ufertruppen") bewacht.
"LIMES" im Sinne von "REICHSGRENZE" erscheint bei AELIUS SPARTIANUS, LEBENSBESCHREIBUNG KAISER HADRIANS (122 n.):
"Zu jenen Zeiten wie auch sonst öfter trennte er (Hadrian) die vielen Gegenden, in denen die Grenze gegen die Barbaren nicht durch Flüsse, sondern durch künstliche Sperren (limites) gebildet wird, die Barbaren vom Reichsgebiet durch ein System von großen Pfählen, die nach Art eines mauerähnlichen Geheges tief eingerammt und miteinander verbunden wurden."
E. S. spricht an dieser Stelle sogar von einem "Bewußtseinswandel der Römer im Umgang mit den Rändern ihres Imperiums zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr." und vom gleichzeitigen "Eingeständnis der Defensive"!
Der "LIMES" war jetzt sozusagen die letzte Grenze, die "outstation", wo das "BARBARICUM" anfing, wo der Soldat einsam Wache schob, wo es zugig und windig war und wo es meistens regnete!
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Quelle: E. SCHALLMAYER: DER LIMES, C. H. Beck Wissen, München 2006, S. 11-16.
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Lang lebe die REICHS-LIMESKOMMISSION!---
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Euer Imperator